Ich habe mir schon als Kind immer einen Hund gewünscht, aber nie einen bekommen. Als ich als Student meinen ersten eigenen Hausstand gründete, war schnell klar, jetzt steht nichts mehr im Wege, jetzt kommt ein Hund zu mir.
Meine Mutter hatte mir umgehend zwei Bücher geschenkt. Das eine stellte die beliebtesten Hunderassen im Porträt vor, das andere behandelte die Verantwortung und die zu erwartenden Kosten eines Vierbeiners. Natürlich sollten die Bücher mich informieren, aber am Ende auch möglichst dazu führen, dass ich mich vor der Verantwortung oder den Kosten dann doch scheue. Aber nix da, im Gegenteil, ziemlich schnell landete ich bei zwei Rassen, die ich bis heute liebe, wie keine anderen: 1: der Rauhaardackel und 2. der Beagle. Nachdem ich diverse Dackel in meinem Umfeld kannte und wusste, dass viele von ihnen häufig kläffen, nicht immer zimperlich im Umgang (auch mit Zweibeinern) sein können und dazu mit dem langen Rücken und kurzen Beinchen für Etagenwohnungen und Treppensteigen eher nicht so geeignet sind, war der Rauhaardackel dann doch schnell vom Tisch.
Beim Beagle klang alles toll. In seiner Zucht nie groß verändert, deshalb nicht sehr krankheitsanfällig, ein fröhlicher und freundlicher Hund, der selbst Einbrecher wohl eher freudig wedelnd begrüßen würde, trotz überschaubarer Körpergröße aber dunkle und kräftige Stimme, aktiv, neugierig und verspielt, verträglich mit Artgenossen... Da habe ich das "eigensinnig", "Jagdhund" und "bleibt nicht gern alleine" gar nicht mehr groß hinterfragt - ich war überzeugt, das in den Griff zu bekommen.
Schnell war auch klar, ich möchte einem älteren Hund eine Chance geben, denn als Student stellte ich mir die Erziehung eines Welpen eher schwierig vor. So landete ich bei einem Verein, der sich um die Vermittlung von Laborhunden kümmerte. Es dauerte ganze sechs Monate, bis endlich der Anruf kam und man mir mitteilte, dass ein Transport aus dem Labor ansteht und man am Samstag mit Hund zu mir käme. Das war 1998. Meine Güte, was war ich aufgeregt. Alles wurde vorbereitet: Körbchen, Spielzeug, Knabbereien und Leckerlis, Leinen, Halsbänder - das volle Programm - mein ganzer Freundeskreis beteiligte sich.
Dann war es soweit, es klingelte und zwei Personen schleppten eine große Kiste hoch, in der sich ein Beagle befand. Ich hatte ihn nie vorher gesehen, wusste nicht, wie alt er ist, was er erlebt hatte, was er mag oder nicht mag - gar nichts. Die Kiste wurde direkt hinter der geschlossenen Wohnungstür abgestellt und geöffnet. Sofort kam ein sehr großer Beaglerüde heraus, schaute mich an und lief dann direkt durch die ganze Wohnung. Jede Schrankecke, jede Kommode, jeder Stuhl wurde sofort markiert, ein Pipifleck neben dem anderen auf dem Teppich. Bevor ich mein Entsetzen in Worte fassen konnte (denn das hatte ich mir natürlich anders vorgestellt), jubelten die beiden Beagleüberbringer schon los. Das sei ja ganz wunderbar. Mensch, dass der Hund direkt rauskommt, herumläuft, die Rute oben. Das sei so ein tolles Zeichen, er fühle sich wohl, der fühlt sich hier direkt zu Hause - herrlich. Sonst säßen die Hunde manchmal stundenlang in der geöffneten Box und trauten sich nicht einmal herauszuschauen.... Und so war auch ich nun wieder guter Dinge. Ich taufte den stattlichen Beaglejungen, der aus einem Labor in Frankfurt am Main gebracht worden war, auf den Namen Giacomo. Während meine Freunde weiter ein Auge auf meinen markierenden neuen vierbeinigen Mitbewohner warfen, erfuhr ich am Küchentisch, dass Giacomo bereits neun Jahre im Labor verbracht hatte. Auf einem DIN-A4 Blatt stand, dass er sich mit einem halben Jahr wohl ein Vorderbein gebrochen hatte und an ihm Nierenmedikamente getestet wurden. Ich bekam eine Leine mit einem Geschirr überreicht und dann waren wir auch schon unter uns. Mein Giacomo interessierte sich für keinerlei Spielzeug und saß schließlich einfach nur lieb in der Ecke im Flur. Ich wollte ihm alle Zeit der Welt geben, um anzukommen.
Doch schon der erste Gassigang stellte sich als Herausforderung dar. Denn ich hatte gesagt bekommen, dass er noch nie Treppen gelaufen sei. Aber was macht man? Hebe ich ihn hoch, wird er mich beißen, weil er denkt, ich will ihn quälen, wie die Leute im Labor? Es blieb mir nichts übrig, ich musste ihn ja tragen. Also hob ich ihn hoch und was soll ich sagen - er ließ es sich gefallen und gab keinen Mucks von sich. Und so lieb war und blieb er auch. Er war eine Schmusebacke, wie ich sie mir als Kind immer gewünscht hatte. Blieb auch ohne Leine immer am Mann, lernte Treppensteigen, lernte rennen, lernte, ins Bett zu dürfen, mit ins Restaurant zu kommen, war nach nur vier Tagen stubenrein, kam mit Besuch durch viele Freunde klar - war sehr schnell meine große Liebe. Auch wenn er überhaupt nicht allein bleiben konnte, dann war es nämlich vorbei mit dem Stubenrein. Es wurde überall hingemacht, immer irgendetwas zerstört und vor allem unaufhörlich die Nachbarschaft bejault. Nicht einfach, aber dank Freunden irgendwie zu meistern, wenn ich in die Uni musste. Leider war er nur ein Jahr bei mir. Ich habe schrecklich unter dem Verlust gelitten, wollte auch erstmal keinen Hund mehr haben.
Doch nur 9 Monate später hielt ich es nicht mehr aus. Ich wollte einen neuen Hund - und es sollte auch wieder ein Beagle sein. Aber diesmal keiner mehr aus dem Labor. Ich wollte nun doch einen Welpen, den ich aufwachsen sehe, den ich prägen und erziehen kann. Der auch für die Arbeit neben und nach dem Studium geeignet ist. Und so geriet ich an den Beagle Club Deutschland (BCD). Da das Internet noch komplett in den Kinderschuhen steckte, geriet ich an die telefonische Welpenvermittlung, die mich an eine Züchterin in meiner Nähe verwies. Und prompt wurde ich auch ziemlich schnell angerufen. Ein Wurf stünde bevor, man möchte mich aber erstmal kennenlernen. Ich nahm direkt meine damalige Chefin mit, damit die Züchter auch bestätigt bekommen, dass der Hund mit ins Büro kommen darf. War so aufgeregt, und natürlich wollte ich wieder einen Rüden. Beim zweiten Besuch waren die Welpen schließlich geboren. Aber oh je, nur ein Rüde dabei, der bereits versprochen war. Ich war geknickt. Nun hieß es, sich einen Mädchennamen ausdenken, sich auf Blutungen und Hitze einstellen... Doch nur wenige Wochen später sprang die Familie für den Beaglejungen ab, und so wurde ich gefragt, ob ich an dem Rüden noch interessiert sei. Und ob ich das war. Mit 9 Wochen holte ich ihn ab - meinen Emmerson. Was war ich schockverliebt - diese Ohren, dieses Gesicht...
Gut, dass ich die rosarote Brille aufhatte, denn mein Emmerson war ein Luder. Es wurde in alles hineingebissen, alles ins Mäulchen genommen, von Hören gar nicht zu sprechen. Stubenreinheit? Ja, klappte dann auch - mit 5! Monaten... Also, es war ein Kampf, aber dennoch habe ich nichts bereut. Er war mein Begleiter und kam ins Büro, ins Fernsehstudio, in jeden Urlaub und natürlich zu Familie und allen Freunden mit. Nur manchmal musste er tagsüber zum Dogsitter. Auch Emmerson lief draußen in Park und Wald leinenlos. Wenn er in seinen ersten Lebensjahren so manches Mal eigene Touren machte, brachte es mich regelmäßig dem Herzinfarkt nahe. Aber - mitgehangen, mitgefangen - ein Leben an der Leine käme für mich für einen Beagle dauerhaft NIE in Frage. So lebten wir großartige 15,5 Jahre zusammen. Emmerson starb 2015 bei mir zu Hause. Ich begleitete ihn dabei in Zusammenarbeit mit meiner ganz wunderbaren Tierärztin und einer auf Sterbebegleitung spezialisierten Tierheilpraktikerin fast 2 Wochen durch diesen sehr emotionalen und für mich schweren Prozess. Zwei Tage war er danach noch bei mir aufgebahrt, bevor ich ihn ins Krematorium brachte, endgültig Abschied nahm und ihn persönlich als Asche aus dem Ofen in seine letzte Ruhestätte umfüllen durfte.
Emmerson ist bis heute mein Seelenhund. Ich war 24 Jahre alt, als ich ihn bekam und war fast 40, als er starb. Das waren prägende, aufregende und wunderschöne Jahre, in denen wir mehr erlebten, als ich hier auf die Seite bringen könnte. Er bleibt für immer in meinem Herzen. Bilder aus seinem Leben sind "In liebevollem Gedenken" auf dieser Homepage in meinem Abschiedsfilm über ihn zu sehen.
Ich hatte mir schon lange vor Emmersons Ableben fest vorgenommen, nach seinem Tod auf jeden Fall erstmal mindestens ein Jahr Hundepause zu machen. Ich wollte endlich die Flugreisen unternehmen, die ich mir mit Hund verboten hatte. Denn Urlaub ohne Hund kam für mich genauso wenig in Frage, wie Hund im Frachtraum eines Flugzeugs. Also wollte ich die USA, Brasiilien, Kuba besuchen, wenn ich ohne Hund bin.
Doch natürlich kam wieder alles ganz anders. Keine 3 Wochen nach Emmersons Tod machte mich die Ruhe daheim wahnsinnig. Ich sah keinen Sinn darin, draußen ziellos durch die Gegend zu laufen. Jedes Gebüsch, jede Wiese kannte ich durch Emmerson, wusste, wo er mit wem am liebsten gespielt hatte, traf seine alten vierbeinigen Weggefährten und wurde von Tag zu Tag unglücklicher. Und so wurde mir schnell klar: Was sind schon 30 Tage Urlaub im Jahr gegen 365 Tage Hundeglück? Richtig, gar nichts! Und damit war der Vorsatz des Reisens direkt über Bord geworfen. Ich durchstöberte auf der Website des BCD sämtliche Homepages aller deutschen Züchter. Mein Traumbeagle hat eine dunkle Decke und gleichmäßige weiße Stiefelchen - also genau das, was man unter classic-tricolour versteht. Und dann habe ich eine Vorliebe für einen bestimmten Typ von Gesicht - beides sollte die Mutter meines neuen Welpen zwingend mitbringen. Am Ende kamen nur zwei Züchter für mich in Frage. Und ich rief direkt an. Prompt hatte meine Favoritin bereits Welpen in sich. Ich könne mich gern auf die Liste setzen lassen. Und wenn sie den Wurf auf der Homepage verkündet, sollte ich mich melden, sagte die Züchterin zu mir. Puh, das ging ja nun doch alles ziemlich schnell. Trotzdem, ich schaute fortan fast täglich auf die Homepage. In den entscheidenden Tagen rief ich die Seite fast im Stundentakt auf, und dann war es soweit. Ein Bild der Hündin mit den Welpen an den Zitzen wurde veröffentlicht. Der Wurf war da. Ich rief sofort an: "Wenn der dritte von links ein Rüde ist, dann nehme ich den. Alle anderen kommen für mich nicht in Frage." Man ahnt es, der Dritte von links war ein Rüde. Ich wurde eingeladen zum Kennenlernen, da waren die Beaglekinder 10 Tage alt. Anfassen durfte ich den Welpen, der die Augen noch geschlossen hatte, natürlich nicht. Anders als von mir erwartet, sollte ich mich gleich entscheiden, ob ich nun einen nehme oder nicht. Ich sagte zu, blieb aber bei meiner Auswahl. Es war der einzige Welpe ohne irgendwelche weißen Flecken auf dem Rücken. Und so kam es dann auch - mit 8 Wochen holte ich meinen Gustav nach Hause.
Ich war durch Emmerson und Giacomo auf alles vorbereitet. Alle Kabel in der Wohnung waren versteckt, nichts lag herum. UND ich hatte zum ersten Mal überhaupt eine Box für die Wohnung gekauft. So was hatte ich bis dahin nur als Transportmittel im Auto. Die erste Nacht solle man stark sein und den Hund unbedingt in der Box lassen, dann hat man das gröbste geschafft, und der Hund schläft auch die folgenden Nächte problemlos darin - so hatte es die Züchterin zu uns gesagt. Aber als es soweit war, hielt ich das Weinen keine 10 Minuten aus. Raus aus der Box, rein ins Bett - was waren wir beide glücklich. Nun, natürlich schläft er bis heute bei mir im Bett, wie auch alle seine Vorgänger. Ich wollte nur diesmal eigentlich damit warten, bis er sicher stubenrein ist. Ins Bett hat er nie gepullert, schon mit 12 Wochen war er dann absolut stubenrein. Mein Gustav hat bis heute nie etwas kaputt gemacht, nicht mal an die Futtersäcke geht er in meiner An-, geschweige denn Abwesenheit. Er ist die Artigkeit pur im Beaglefell, dafür liebe ich ihn sehr. Dennoch habe ich bei ihm vieles anders gemacht als bei Emmerson. So begann ich mit der Erziehung nicht erst mit 6 Monaten, wie mir das eine Tiertrainerin 1999 noch bei Emmerson nahegelegt hatte (aus heutiger Sicht völliger Blödsinn, in der Pubertät mit der Hundeerziehung zu beginnen), sondern direkt mit 11 Wochen. Und zwar auch gleich im Einzeltraining. Das zahlte sich schnell aus.
Ich habe bis heute einen sehr guten und freundschaftlichen Kontakt zu den Besitzern von Gustavs Vater, der Familie Plum. Sie unterstützten mich von Anfang an sehr. Bereiteten mich und mein Gustlchen für die Ausstellungen vor, erklärten mir alle Abläufe, besorgten mir Vorführleine und erläuterten, wie ich den Hund stelle und laufen lasse. Gleich bei seiner ersten Ausstellung gewann er sogar direkt in seiner Klasse. Und das, obwohl er auch dort schon sehr fröhlich seine Rute trug.
Nach fünf Ausstellungen beendeten wir deshalb das Kapitel auch und fuhren 2018 auf Empfehlung von Martina und Dieter Plum mal nach Wenns in Tirol, wo der Austrian Beagle Club jährlich jagdliche Übungstage, auch für Nichtjäger, durchführte. Und es kam, wie es kommen musste. Mich begeisterte auf Anhieb zu sehen und zu erleben, wie mein Gustav passioniert der Schweißarbeit nachging. Wir absolvierten unsere erste Prüfung. So kamen wir auch in den Folgejahren immer wieder und ich so schließlich über den Hund zur Jagd. 2020 habe ich mich bei der Kreisjägerschaft Köln zur Jägerausbildung angemeldet. Durch die lange Unterbrechung durch Corona dann in 2021 endlich auch die Prüfungen ablegen können. Inzwischen hat Gustav sieben jagdliche Prüfungen mit mir als Hundeführer erfolgreich abgeschlossen, davon vier große Schweißprüfungen. Außerdem auch alle vier Beagle-Diplome, die uns für die jagdliche Ausbildung viel gebracht haben. Denn u.a. Leinenführigkeit, Ablage und Abruf auf Distanz sind Dinge, die ein Jagdhund im Gebrauch können muss. Gustav ist ebenfalls Freigänger, sowohl im Park, wie auch im Wald.
Inzwischen ist mein Gustav zugelassen zur Formwertzucht, jagdlichen Anlagenzucht sowie jagdlichen Leistungszucht. Wir trainieren einmal wöchentlich in der Jägerschaft und sind viel unterwegs in der Natur. Er ist ein hervorragender Dummyarbeiter, scheut kein Wasser und apportiert bis zur Abgabe in die Hand. Mein Gustlchen ist verschmust, aber anders als Emmerson kein "Spielebeagle". Dafür ist Gustav unheimlich arbeitswillig und arbeitsfreudig. Ich bin sehr stolz auf ihn und freue mich auf viele weitere Jahre mit ihm an meiner Seite.
Bertram Dubberke